Speziell angefertigte Kontaktlinsen, die nachts getragen werden, könnten für viele Menschen in mittlerem Alter künftig eine Lesebrille unnötig machen.
Die neuen Linsen wirken, indem sie sachten Druck auf den Augapfel ausüben, bis er wieder seine normale Form annimmt. Sie werden nachts getragen. Tagsüber ist eine Brille dann praktisch überflüssig. Bislang wurden die Wunder-Linsen nur bei Kurzsichtigkeit verwendet, doch mittlerweile bewähren sie sich auch bei altersbedingter Sehschwäche.
Die neue Technik, in der Fachsprache hypermetropische (weitsichtige) Orthokeratologie genannt, wurde von Dr. Paul Gifford an der Universität von Neusüdwales, Australien, entwickelt und erprobt.
Ihre Wirksamkeit ist so überzeugend, dass tagsüber keine Lesehilfe mehr benötigt wird. Auch die üblichen Probleme bei langfristigem Tragen von Kontaktlinsen entfallen. So werden die Augen beispielsweise tagsüber ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was Entzündungen und Reizungen der Hornhaut vorbeugt. Das Tragen der Linsen während der Nachtstunden ist wesentlich schonender.
Und so funktionieren die neuen Kontaktlinsen:
Im Falle der Kurzsichtigkeit liegt eine oft angeborene leichte Verformung des Augapfels vor, das heißt, einfallendes Licht gelangt nicht bis zum „Brennpunkt“ an der Netzhaut, sondern bricht sich davor. Der Seheindruck wird entsprechend unscharf. Eine Brille oder Kontaktlinsen korrigieren dann den Einfallswinkel des Lichtes.
Im mittleren Alter lässt bei den meisten Menschen die Sehkraft nach, ein Phänomen, das als Presbyopie oder Altersweitsichtigkeit bezeichnet wird. Die typischen Symptome: Ein Buch oder eine Speisekarte muss weiter vom Auge weg gehalten werden, um die Buchstaben scharf zu sehen. Teilweise wird dann eine Lesebrille benötigt. Ursache der typischen Altersweitsichtigkeit ist der Verlust der Flexibilität der Hornhaut, insbesondere im lichtdurchlässigen vorderen Teil. Die Folgen sind ganz ähnlich wie bei der Myopie.
Die Orthokeratologie ist seit Jahrhunderten bekannt. Man nimmt an, dass Chinesen mit kleinen Gewichten oder Sandsäckchen auf den Augenliedern schliefen, um Kurzsichtigkeit zu bekämpfen.
Aber erst in neuester Zeit konnte bewiesen werden, dass diese Methode auch verlässliche, berechenbare Ergebnisse erzielen kann. Zudem wurden neue Technologien entwickelt, beispielsweise exakte Methoden, um die Hornhautkrümmung zu messen. Das ermöglicht es, Kontaktlinsen anzufertigen, die exakt an die Augenform ihrer Träger angepasst sind.
Dr. Giffort und seine Kollegen beschäftigten sich im Versuch mit einer „einäugigen“ Technik, das heißt, ihre Patienten trugen zunächst eine Woche lang über Nacht eine genau angepasste Kontaktlinse in einem Auge. Um normales Sehen auf die Distanz zu erhalten, verblieb das andere Auge unbehandelt. Erstaunlicherweise war es bei allen Versuchspatienten möglich, die normale Nahsicht auf dem behandelten Auge quasi über Nacht wiederherzustellen. Die Verbesserung trat bereits am ersten Tag nach der Behandlung ein, und verbesserte sich kontinuierlich während der gesamten einwöchigen Versuchsdauer.
Die Untersuchung der Augen bestätigte, dass die Linsen die Form der Hornhaut ganz wie vorgesehen beeinflusst hatten. Die Sehfähigkeit im unbehandelten Auge wurde nicht beeinträchtigt.
Allerdings ist die Wiederherstellung der alten Hornhautkrümmung nicht auf Dauer zu erzielen, sondern reversibel. Daher müssten die helfenden Kontaktlinsen jede Nacht getragen werden, um die Fähigkeit der Nahsicht zu erhalten.
Auch in Fachmagazinen wird mittlerweile die neue Methode beschrieben und gelobt, die das Tragen einer Brille, aber auch chirurgische Eingriffe am Auge überflüssig macht.
aktualisiert am 27.11.2013